Die Programmierer des Webauftritts der Minijobzentrale scheinen einen guten Draht zu Facebook zu haben. Schlimmer noch – die Webseite der Minijobzentrale gibt Besucherdaten gezielt an Facebook und andere sogenannte „sozialen“ Medien und wirbt als öffentliche Einrichtung dafür, die Daten ihrer Besucher von der privaten Wirtschaft werbemässig verarbeiten zu lassen.
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Internet-Cookies und der Entmündigung des Individuums im Internet, zu der auch staatliche Organe immer mehr beitragen. Beobachtungen Teil 1 …
„Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung dieser Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.“ Ein Balken schiebt sich ins Browserfenstern - oft gelesen, oft geklickt. Wer nicht auf „JA“ klickt, lebt mit dem dicken Balken, zum aktuellen Zeitpunkt omnipräsent nervend auf fast jeder Webseite im oberen oder unteren Bereich des Bildschirms.
Als die Farce mit dem Balken begann, habe ich immer wieder gesucht, wo ich denn auf NEIN klicken könne. Wo es ein JA gibt sollte es auch ein NEIN geben. Dachte ich mir zumindest. Aber offensichtlich gibt es in grossen Bereichen des Internets heute kein NEIN mehr. Fazit: Entweder richte ich mich nach den Vorgaben der besuchten Webseite - oder ich kann draussen bleiben.
Exkurs 1: Erst vor wenigen Tagen bin ich dahinter gekommen, dass es nicht einmal eine Rolle spielt, ob ich mich mit dem Setzen der Cookies einverstanden erkläre oder nicht. Auch wenn ich nicht auf „JA“ oder „OK“ klicke, werden Cookies gesetzt. Der erzwungene Klick auf „JA“ hat nur eine einzige Folgewirkung: Der Balken verschwindet! Mein Entscheidungsraum liegt somit auf einem Besuch der Webseite mit oder ohne sichtbegrenzenden Balken. Schlussfolgerung: Wo sich ein Balken findet, werden Überwachungs-Cookies gesetzt.
Exkurs 2: Cookies sind kleine Textdateien, die bei dem Besuch einer Webseite auf deinem Rechner oder Mobilgerät abgelegt werden. Das Ablegen der Cookies ist eine Voraussetzung dafür, dass die Webseite korrekt angezeigt wird. Was viele nicht wissen: Es braucht keiner Zustimmung des Besuchers, wenn die Webseite technisch notwendige Cookies setzt. Der Umkehrschluss ist einfach: Eine Webseite, die dich dazu auffordert, Cookies zu akzeptieren, will mehr von dir, als dir den Besuch ihrer Webseite ermöglichen. Du kannst davon ausgehen, dass diese Webseite an deine Daten möchte, um diese im eigenen Interesse oder im Interesse Dritter zu verarbeiten.
Ganz dreist wird es wie im aktuellen Beispiel der Minijobzentrale, einer öffentliche Einrichtung, die also durch Abgaben der arbeitenden Bevölkerung finanziert wird. Beim Besuch der Webseite schiebt sich ein Popup ins Blickfeld, welches verhindert, dass ich mir den Text anschauen kann. Was rechts im Bild im Popup steht, muss man sich wirklich einmal genussvoll reinziehen:
Die allseits bekannten Frage, die nur mit JA beantwortet werden kann. Die Zustimmung an dieser Stelle ist zugleich ein Freibrief zum Abgreifen deiner Daten und deren Übermittlung an Dritte. Aber an dieser Stelle des Textes, den vermutlich kaum jemand liest, muss noch nicht unbedingt die Zustimmung erfolgen. Die Programmierer der Minijobzentrale geben dir die Möglichkeit, mehr zu erfahren. Und der Klick auf „weitere Informationen“ ist durchaus interessant:
Anders gesagt - Widerstand ist zwecklos. Grotesk mutet der Einschub „falls Sie es möchten“ an. Passender wäre „da WIR es möchten“. Wieso die Minijobzentrale ihre Webseite nicht betreiben könnte, wenn sie NICHT wüsste, wo ich mich auf der Webseite bewege, bleibt ein Rätsel. Programmiertechnisch gesehen hat die Erstellung eines Bewegungsprofils der User nichts mit der Funktionalität der Seite zu tun. Weiter im Text rechts im Bild:
Mal abgesehen davon, dass ich überhaupt keine Werbung wünsche, habe ich doch einen neugierigen Blick in die Datenschutzrichtlinien geworfen. Natürlich weiss jeder Webseitenbetreiber, dass in die Datenschutzrichtlinien keine normalen Besucher, sondern nur Leute schauen, die sich speziell mit solchen Themen beschäftigen. Bei der Minijobzentrale steht dort eindeutig, dass meine Daten an Facebook, Google und Twitter übermittelt werden und dass die Minijobzentrale keine Ahnung davon hat, was dort mit meinen Daten geschieht. Natürlich erklärt sich die Minijobzentrle für die Weiterverarbeitung meiner Daten bei Facebook, Google oder Twitter nicht verantwortlich und verweist auf die Datenschutzrichtlinien der genannten Firmen, die auch niemand lesen wird, zumal dort dann auch wieder auf die Datenschutzrichtlinien noch anderer Firmen verwiesen wird.
Aber weiter im Text:
Noch einmal: Die Minijobzentrale, Teil der Deutschen Rentenversicherung, ist laut ihrem Impressum "eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Diese Körperschaft empfiehlt ihren Besuchern: „Soziale Medien und Werbung zulassen.“ Das Häkchen zum Zulassen habe nicht ich gesetzt. Es befindet sich an dieser Stelle vorprogrammiert. Wer schon auf Seite 1 des Popups seine Zustimmung gibt, hat diese auch für die Weiterleitung der Daten an Facebook und andere gegeben.
Ich zitiere dies hier so ausführlich, weil der Text meines Erachtens fast selbstredend eine bodenlose Dreistigkeit offenbart. Um es zum dritten mal zu wiederholen: Die Minijobzentrale ist eine öffentliche Einrichtung. Ich bin z.B. als Arbeitgeber gezwungen, mich darüber zu informieren, was zu tun ist, um einen Arbeitnehmer anzustellen. Ebenso als Arbeitnehmer.
Um Informationen über Anstellungsverhältnisse unter der 450-Euro-Grenze zu erhalten, hatte ich vor wenigen Tagen die Webseite der Minijobzentrale besucht. Dort war ich über die penetrante Platzierung des Popups „gestolpert“ und hatte mit meinen Recherchen begonnen. Denn was dort stand, sage ich gerne mal in meinen Worten: „Lieber Besucher unserer Webseite: Entweder bleiben Sie draussen oder Sie spielen unser Spiel. Da Sie sich bei uns informieren müssen, zwingen wir Sie an dieser Stelle dazu, unser Spiel zu spielen. Sagen Sie auf der Stelle JA, denn ein NEIN gibt es bei uns nicht.“
Ich stelle mir auch die Frage, ob und wenn ja welche Art von (Geschäfts)-Beziehungen die Minijobzentrale oder deren Programierer mit sogenannten „sozialen“ Medien unterhalten. Immerhin wird eine eindeutige Empfehlung für privatwirtschaftliche Konzerne ausgesprochen, die sich in den letzten Jahren in einem rechtsfreien Raum ausgebreitet haben und unter dem Deckmantel „sozialer“ Medien einen in der Geschichte beispiellosen Überwachungsapparat geschaffen haben. Die von den Nutzern gelieferten Daten haben bei diesen Firmen den alleinigen Zweck, selbigen Nutzer so gezielt wie möglich zu manipulieren. Wenn die Rede davon ist, dass Werbung besser an meine Interessen angepasst werden soll, ist das irreführend. Wer mein Verhalten überwachen will – und das ist das Ziel des Geschäftsmodells von Google, Facebook und anderen- tut dies, um den eigenen Werbekunden besseren Profit durch Umsatzsteigerung mit personalisierter Werbung zu verschaffen.
Egal ob Minijobzentrale oder wer auch immer – ich möchte selber entscheiden, was mit meinen Daten geschieht. Ich möchte beim Besuch egal welcher Webseite darüber entscheiden, ob ich auch nur irgendeinen Cookie akzeptieren möchte, der nichts mit den technischen Erfordernissen zur Nutzung der Seite zu tun hat. Ich möchte über jeden einzelnen Cookie, der über die einzelne Session hinaus geht, informiert werden und diesen einzeln bestätigen.
Am 26. Oktober habe ich der Minijobzentrale mitgeteilt, dass ich den unter Zwang gesetzten Cookies widerspreche und um Stellungnahme bitte. Bis zur Veröffentlichung dieses Posts habe ich keine Antwort erhalten …
Hinweis: Die aktuelle Rechtslage nach Inkrafttreten der Datenschutzverordnung im Mai 2018 ist uneindeutig. Von daher bedarf es z.B. bezüglich der Cookie-Richtlinien juristischer Interpretation. Ich bin kein Jurist und kann auch keine Haftung für die Richtigkeit meiner eigenen Interpretation noch derer, die ich im Internet bei Juristen im Rahmen meiner Recherchen vorgefunden habe, übernehmen.